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die Wortwerkstatt

Butterzart schlägt hammerhart

 

Herzhafte Anekdoten über Glück und Unglück der Fußballwelt füllen stramme Poesiealben. In den verrückten Jahren des Aufstiegs der Underdogs war halt längst nicht alles durchgestylt. Gladbach gewann lieber 5:4 als 1:0. 

Aber kann unser Zeitalter zu derlei Kulturschätzen überhaupt noch etwas Nennenswertes beitragen, solange optimierte Spielerfrauen in klimatisierten Logen mit strammen Oligarchen anstoßen, während auf dem Rasen und im Reporterstübchen die Rückwärtsbewegung Triumphe feiert?

 

Alternative Fakten

Eine seiner größten Sensationen erlebte der Weltfußball 1950 bei der WM in Brasilien: Die Profis aus England unterlagen den völlig namenlosen US-Amerikanern, einer Elf aus Feierabendfußballern, mit 0:1. Da es seinerzeit noch kein Satelliten-TV gab und selbst Radioübertragungen aus Übersee Zukunftsmusik waren, glaubten viele britische Sportredakteure an einen Übermittlungsfehler. Sie gingen davon aus, das Spiel sei 10:1 ausgegangen und vermeldeten den großen „Sieg“ in ihren Blättern.

 

„Ich kann doch nicht schon jetzt die Aufstellung vom nächsten Wochenende sagen. Der eine kriegt eine Grippe, beim anderen kriegt die Oma einen Zahn.“

(Eduard Geyer, Kindergärtner aus Cottbus)

 

Voodoo-Zauber in Beton

Der Aberglaube gehört zum Fußballgeschäft wie das Handgeld oder die Strafraumschwalbe. Dreieinhalb Jahrzehnte lang verzweifelten die Fans und Verantwortlichen von Racing in Buenos Aires an einem fiesen Fluch: Nach Racings Meistertitel 1966 hatten Anhänger des Erzrivalen Independiente im Stadion von Racing bei einer Voodoo-ähnlichen Zeremonie sieben tote Katzen verbuddelt. Der Club stürzte in der Folge sportlich ab und stand wirtschaftlich vor dem Ruin. Regelmäßig wurde der Rasen umgegraben, um die Überreste der Felltiere zu suchen. Das Problem: Sechs Skelette tauchten im Laufe der Jahre auf, aber das siebte blieb schier unauffindbar. Erst als zur Jahrtausendwende damit begonnen wurde, selbst überbaute Flächen einzureißen, fand man die siebte Katze unter einer Betondecke. Kaum zu glauben, aber wahr: 2001 holte Racing zum ersten Mal seit 1966 wieder den argentinischen Titel.


„Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle sollte man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“
(Hans-Hubert Vogts, Bundesberti)

 

Salzburg im Farbenrausch

Im Zeitalter der Globalisierung gibt es wenig Verständnis für Traditionen. Radikal erwischte es dabei die Anhänger von Austria Salzburg. Zunächst wurden bereits seit 1973 abwechselnd diverse Sponsoren in den Vereinsnamen integriert, weshalb das Team mal als Casino Salzburg, mal als Sparkasse Salzburg auflief. Am kuriosesten war dabei sicher der Einstieg einer Kaufhauskette, durch die der Club als FC Gerngroß Salzburg in den Statistiken auftauchte. Immerhin ließen alle diese Firmen den Fans ihre Farben: Violett und Weiß. Der Limonadenabfüller Red Bull sah diese Werte weniger sentimental und verpasste dem damals dreifachen österreichischen Meister die Farben Rot und Weiß.

 

„Das Wort mental gab es zu meiner Zeit als Fußballspieler noch gar nicht. Nur eine Zahnpasta, die so ähnlich hieß.“
(Rudi Assauer, SV Werder)

 

Erleuchtete Ecken

Um die Fans an Abendspiele nach Sonnenuntergang zu gewöhnen, organisierten mehrere Vereine aus verschiedenen deutschen Oberligen in den 1950er Jahren den sogenannten Deutschen Flutlichtpokal.
Das erinnert ein wenig an den Erfinder des Einkaufswagens, Sylvan Goldman aus Oklahoma City, der in seinem Supermarkt zu Anfang bezahlte Einkaufswagenschieber beschäftigte, weil sich die Kunden 1937 noch nicht trauten, die Drahtkörbe mit Rollen selbst durch die Regalreihen zu schubsen.
Der DFB gestattete für den Lampen-Wettbewerb eine einmalige Regeländerung, denn bei unentschiedenem Spielstand wurde jene Mannschaft zum Sieger erklärt, die mehr Eckbälle herausgeholt hatte.
Erster Champion war 1957 die Frankfurter Eintracht nach zwei Unentschieden und 8:6 Ecken gegen Schalke 04. 1958 holte sich Lokalrivale Kickers Offenbach den Leuchtmittel-Cup. 1959 wurde der Wettbewerb wieder eingestellt. Aber damals trafen sich die beiden Erzrivalen ohnehin bei Tageslicht in Berlin, als die Eintracht beim 5:3 ihren ersten und einzigen Deutschen Meistertitel holte. Für die Kickers war es nach dem verlorenen Endspiel von 1950 gegen den VfB Stuttgart (1:2) die zweite Vizemeisterschaft.

 

„Spanien wäre ein schönes Land, wenn nicht so viele Spanier dort leben würden.“
(Max Merkels letzter Satz als Trainer des spanischen Tabellenführers Atletico Madrid)

 

Masseur im Tor

Den originellsten Versuch der Bundesliga-Geschichte, ein Tor zu verhindern, unternahm der Masseur des MSV Duisburg 1982 im Volksparkstadion. Gerard Kuipers war gerade hinter dem Tor damit beschäftigt, einen Spieler aufzupäppeln, als er mitbekam, dass HSV-Stürmer Thomas von Heesen den Ball über MSV-Keeper Schreiner lupfte. Kuipers rannte auf den Platz und versuchte den Ball im Flug mit seinem Arztkoffer zu erwischen, aber von Heesens Chip passte perfekt. Der MSV kassierte mit dem 0:7 die höchste Niederlage seiner Geschichte und Kuipers vom DFB eine spaßige Sperre plus Geldstrafe.

 

„Wenn wir hier schon nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“ 
(Rolf Rüssmann, als Manager des VfB Stuttgart)

 

Ein Mann braucht sein Hobby

Die Ursünde des Fußball-Konkurses in Deutschland fand 1979 mitten im Ruhrgebiet statt. Erhard Goldbach, Präsident und Mäzen des SC Westfalia Herne, wollte seinen Club Ende der siebziger Jahre mit allen Mitteln in die Bundesliga bringen. Der Besitzer einer Tankstellenkette namens Goldin hatte den Verein sogar zu einer Namensänderung bewogen: Ab 1977 trug der Traditionsclub – vor Einführung der Bundesliga eine erstklassige Adresse in der Oberliga West – den Namen SC Westfalia Goldin 04 Herne.
Im Mai 1979 flog dann das illegale Geschäftsmodell von Goldbach auf: Der Unternehmer konnte stets günstigere Preise anbieten als die Konkurrenz, weil er große Mengen Benzin unter der Hand verkaufte und die dafür fällige Mineralölsteuer hinterzog. Der Zusammenbruch seines Imperiums riss auch den SC Westfalia in den Abgrund. Der Verein ging mit einer attraktiv zusammengestellten Mannschaft als Top-Favorit auf den Bundesliga-Aufstieg in die Saison 1979/80, doch nach dem ersten Spieltag zog der DFB die Notbremse und entzog den Hernern die Lizenz für den Profi-Spielbetrieb, denn es war längst klar, dass der Club sein teures Team kaum würde bezahlen können.
Erhard Goldbach saß viele Jahre im Gefängnis. Von den über 300 Millionen D-Mark, die der Hobby-Bordellbetreiber unterschlagen haben soll, fehlt bis heute jede Spur. Der SC Westfalia kam nie wieder in die Nähe seiner früheren Bedeutung.


„Abseits is, wenn dat lange Arschloch zo spät abspielt.“
(Hennes Weisweiler preist Günter Netzer)


Mega-Rechenzentrum DFB

Heutzutage undenkbar, aber bis in die späten sechziger Jahre Realität: Bei Punktgleichheit entschied nicht die Tordifferenz, sondern der sogenannte Torquotient. Erst 1969 ließ man beim DFB von dieser Rechenform ab, bei der die Zahl der erzielten Tore durch die der erhaltenen geteilt wurde. Denn es gab stets ein Problem, sobald die Null ins Spiel kam. Die Division durch null ergibt stets null; also wurde die Mathematik schlicht ein wenig verbogen und die Null mit „unendlich“ gleichgesetzt, was Mannschaften ohne Gegentreffer bevorteilte.

Dadurch kam es zu grotesken Resultaten wie der Tabelle des ersten Bundesliga-Spieltags 1963. Der erste Spitzenreiter der neuen deutschen Profi-Liga hieß nicht Meidericher SV; der MSV wurde trotz eines 4:1-Siegs beim Karlsruher SC auf Platz drei eingestuft, da der 1. FC Köln und Schalke 04 ihre Auftaktmatches mit 2:0 gewannen. Derlei abgezockte Rechentricks hatte nicht mal die Wall Street in ihren besten Jahren zu bieten.

 

„Was für eine Veranstaltung! Jetzt gibt's hier auch noch härtesten Rock!"

(ZDF-Metal-Experte Bela Rethy bejubelt bei der Eröffnungsfeier der WM '98 die Vollplayback-Klingeltöne einer Weichspüler-Boygroup in pastellfarbenen Strampelhöschen)

 

Lustig tanzt der Grotifant

Der Effzeh hat seinen Geißbock Hennes,  und in Meiderich grinst seit jeher das Zebra von den Plakaten. Seit den 1990er Jahren haben fast alle großen Clubs nachgerüstet und sich ebenfalls ein mehr oder weniger tierisches Maskottchen aus der Retorte zugelegt. Mal passen die Viecher wenigstens zu den Vereinsfarben, wie Wacker Burghausens Knuddelpanda, mal muss man sich fragen, ob die Findungskommission einen Absinth-Abend eingelegt hat – wie bei „Fritzle“, dem knallgrünen Neckar-Krokodil des VfB Stuttgart.

Zu den Klassikern aus Köln und Duisburg konnten sich nur wenige glaubhaft gesellen – wie beispielsweise der Grotifant, ein einzigartiges Rüsseltier, das aus dem direkt neben der Grotenburg-Kampfbahn gelegenen Krefelder Zoo stammt. 

Erste Aufmerksamkeit erregte der Grotifant zu Beginn der Neunziger, weil er im Stadionmagazin von Uerdingen 05 in einer eigenen Rubrik ständig die Taktik des Trainers oder den Einsatzwillen der Spieler kritisierte – bis sich herausstellte, dass sich der damalige Manager Felix Magath mit seinen Texten hinter dem lustigen Tierchen versteckte. Kein Wunder, dass Tausendsassa Magath auch 20 Jahre später in Wolfsburg neben seiner Generalmanagertätigkeit noch Zeit und Muße fand, als Herausgeber der Stadionzeitung zu fungieren. Der Mann weiß halt, wie man Sportpolitik macht. Zur Not auch mit vorgetäuschtem Rüssel.

Weniger dezent und ausgefuchst als Felix ging allerdings jener Zeitgenosse zur Sache, der ab Mitte der 1990er das Grotifantenkostüm durchs Krefelder Stadion trug. Vor allem die Matches gegen den Erzrivalen Fortuna Düsseldorf fanden einen Spitzenplatz in der Maskottchengeschichte. Mal wurde der Linienrichter wegen angeblich falschen Fähnchenwinkens attackiert, mal rannte der Grotifant auf den Platz, um ein drohendes Gegentor zu verhindern, und immer wieder hüpfte Uerdingens zwölfter Mann vor dem Fanblock der Gästefans mit provozierenden Gesten auf und ab. Einmal geriet der Dickhäuter allerdings auch etwas zu nah an den Zaun, was ihn im folgenden Scharmützel seinen Rüssel kostete.

Nach diversen Vorfällen wurde der Grotifant vom Westdeutschen Fußballverband für längere Zeit gesperrt. Aber auch nach der Begnadigung gab es keine Ruhe: 2004 lief der Uerdinger Ultra im Benjamin-Blümchen-Outfit beim einem Pokalspiel hinter das Tor der Fortuna und legte sich mit Torwächter Carsten Nulle an. Nulle machte kurzen Prozess und streckte ihn spontan mit einem Fausthieb nieder.

 

„Das Blöde an meinem Job? Ich muss arbeiten, wenn auf NDR 2 Fußball läuft.“
(Anthony Yeboah, Torschützenkönig)


Schmutzige Hattricks


In 208 der 209 Mitgliedsverbände des Weltfußballs sind drei Treffer eines Spielers in einem Match ein Hattrick, egal wann sie während der 90 Minuten gefallen sind. Lediglich deutsche Hattrick-Juristen haben das ungeschriebene Gesetz noch mit einem klein gedruckten Anhang versehen, um der germanischen Gründlichkeit gerecht zu werden. Irgendein Medienmensch, der sich nach Jahrzehnten nicht mehr ermitteln lässt, erfand einst den Begriff „lupenreiner Hattrick“, nachdem einem Kicker das Kunststück gelungen war, drei Bälle hintereinander ins Netz zu donnern, ohne dass ihm die Halbzeitpause oder gar das Törchen eines anderen Spielers dazwischen gekommen wäre. Sämtliche Berichterstatter aus dem Land der Dichter und Denker griffen diese Formulierung begeistert auf. Und seitdem achten alle Kommentatoren zwischen Elbe und Isar peinlich genau darauf, schmutzige Hattricks als „Dreierpack“ abzuheften oder „schade, schade, leider schon wieder kein Hattrick“ ins Mikrofon zu flöten.


Grün-weiß-grün ist blau


Hannover 96 hat die Vereinsfarben Schwarz, Weiß und Grün. Dennoch spielt der „kleine HSV“ traditionell im roten Trikot. Der Grund dafür liegt tief in der Vergangenheit: Der Verein konnte in seinen jungen Jahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Hannoveraner Stadtmeisterschaft nicht in Grün auflaufen, weil diese Farbe bereits an den Lokalrivalen FSV 1897 vergeben war. Und bei dieser „Verkleidung“ ist es bis heute geblieben.

 Dem Lokalrivalen und ehemaligen Zweitligisten Arminia Hannover erging es ähnlich: Dessen Vereinsfarben Grün-Weiß-Grün spielen aus demselben Grund auf dem Platz keine Rolle: Die Arminia läuft seit jeher ganz in Blau auf.


Die Null steht vorne

Es war eines der zähesten Landesmeister-Endspiele aller Zeiten: 120 Minuten lang stolperte der hoch favorisierte FC Barcelona samt seinem Mittelfeldstar Bernd Schuster am 7. Mai 1986 im Stadion von Sevilla über die Grashalme. Dann schlug die große Stunde des Banater Schwaben Helmuth Duckadam im Tor von Steaua Bukarest: Er hielt alle vier Elfer der Katalanen. Für den fünften musste er nicht mehr ran. Steaua gewann dennoch nur mit 2:0, denn auch zwei Rumänen schlotterten am Elfmeterpunkt die Knie.

Knochenhart defensiv

Der SV Werder wurde unter Trainer Otto Rehhagel in den 1980ern zum inoffiziellen Nachfolger der spektakulären Gladbacher Borussia der 1970er. Ottos eigene Spielerkarriere ließ derlei offensive Feinheiten kaum vermuten. Zusammen mit dem späteren Dauertrainer des FC Homburg und König der Sprücheklopfer Uwe Klimaschewski („Meine Spieler sind so blind, dass sie ohne Hilfe nicht mal den Weg zurück zum Bus finden.“) bildete Otto beim 1. FC Kaiserslautern in den 1960ern das gefürchtetste Defensiv-Duo der Bundesliga, ganz nach dem Geschmack des FCK-Mitspielers und späteren Präsidenten Atze Friedrich: „Bei uns gab es keine Verletzungen. Bei uns gab es nur glatte Brüche.“ Später relativierte Rehhagel seinen Ruf mit den Hinweis auf den damaligen Bundestrainer, den sogenannten „Terrier“: „Wenn ein Stürmer gegen mich keinen Stich bekam, nannte man mich einen brutalen Treter. Berti Vogts machte groß nix anderes. Aber bei ihm hieß das: internationale Klasse!“

Froschkönig, bienenfleißig

Einen ähnlichen Ansatz verfolgte auch Rehhagels Nachfolger als Top-Verteidiger in Kaiserslautern: Walter Frosch avancierte in seiner Karriere sowohl beim FCK als auch beim SV Alsenborn, beim FC St. Pauli und bei Altona 93 zum Kultspieler. Als der überzeugte Kettenraucher und bienenfleißige Sammler von Gelben Karten 1976 von Helmut Schöns Assistent Jupp Derwall zu einem Spiel der B-Nationalmannschaft eingeladen wurde, lehnte der damalige Lauterer Bundesligaprofi mit den Worten ab: „Ein Walter Frosch spielt nur in der A-Mannschaft oder in der Weltauswahl.“

Pioniere der Pyrotechnik


Ungewöhnlichster Club in einem Uefa-Cup-Finale war der SC Bastia von der Insel Korsika – der den Titel 1978 in zwei Finals (0:0 und 0:3) gegen den PSV Eindhoven verpasste. In den ersten drei Runden gewannen die Korsen um den holländischen Starstürmer Johnny Rep sämtliche Spiele gegen Sporting Lissabon (3:2 und 2:1), Newcastle United (2:1 und 3:1) und den AC Turin (2:1 und 3:2). Dabei beendeten sie eine große Serie: Die Turiner waren zuvor zwei Jahre lang ohne jegliche Heimniederlage in sämtlichen Wettbewerben geblieben. Erst gegen den FC Carl Zeiss Jena „gönnten“ sich die Korsen nach dem berauschenden 7:2-Hinspielsieg ein 2:4 auf dem Ernst-Abbé-Sportfeld. Und im Halbfinale reichte nach einem 1:0 zu Hause ein 2:3 bei Grasshopper Zürich zum Finaleinzug.

Berühmt wurde die Siegesserie des SC allerdings durch seine Fans und sein kaum drittligataugliches Stadion, das Stade Armand Cesari. Die ununterbrochen brüllenden, hopsenden und gestikulierenden Anhänger des Clubs gehörten zu den begeisterten Pionieren der Pyrotechnik und jagten quasi während des gesamten Spiels Böllerschüsse, Knallfrösche und Silvesterraketen in die Luft. Dagegen war der Betzenberg ein Ort der stillen Einkehr. Manche Vereine der französischen Liga zogen es vor, lediglich ihre Reserveteams in der „Hölle“ des Armand Cesari antreten zu lassen. Die Uefa beantwortete das Spektakel der Fans mit immer höheren Geldstrafen. Der Vorstand unternahm allerdings nichts, zahlte stets pünktlich die „Knöllchen“, und beim nächsten Spiel stand der „zwölfte Mann“ voll motiviert wieder hinterm Zaun. Inklusive Bomben, Rauch und Feuer …

Schnaps ist Schnaps

Eine Trikotwerbung, die vom DFB verboten wurde, bescherte sämtlichen Beteiligten dennoch größtmögliche Aufmerksamkeit. Mal gewollt, mal ungewollt. Vor der Saison 1987/88 hatte der saarländische Erstligist FC 08 Homburg einen Kondomhersteller als Trikotsponsor gewonnen. Zu einer Zeit, da Bier- und Schnapswerbung auf Spielerbrüsten ohne Wenn und Aber als normal und legal galt, verbot der DFB unter Führung seines Liga-Ausschuss-Vorsitzenden Gerhard Mayer-Vorfelder den Homburgern ihre Aufschrift wegen angeblich unsittlicher Umtriebe und drohte bei Zuwiderhandlung mit Punktabzügen. 

Der FCH lief zunächst mit einem schwarzen Zensurbalken auf, was dem DFB erneut missfiel. Mayer-Vorfelder zog sogar in Erwägung, das Tragen eines schwarzen Balkens als unsittlich verbieten zu lassen. DWind of Change ann zogen die Grün-Weißen vor ein ordentliches Gericht und klagten. Mit Erfolg: Das Landgericht in Frankfurt am Main konnte keinerlei sittliche oder moralische Verfehlung feststellen.

Wind of Change


Ein Begriff, zweierlei Maßstäbe: Als 1982 in Kassel der Amateurfußballclub FSC Dynamo Windrad gegründet wurde, wurde ihm die Aufnahme in den Hessischen Fußballverband verweigert. Begründung: Der Namensteil Dynamo sei ein politischer Begriff aus den Staaten des Warschauer Pakts und daher im bundesdeutschen Sportwesen nicht statthaft. Jahrelang prozessierte der Verein gegen die Entscheidung, mit dem Sportlern des Ministeriums für Staatssicherheit in einen Topf geworfen zu werden, verlor jedoch in sämtlichen Instanzen bis hin zum Oberlandesgericht in Frankfurt. Erst als 1989 die Mauer fiel, drehte sich der Wind: Der DFB hatte keinerlei Interesse daran, den achtfachen DDR-Meister Dynamo Dresden, der sich zusammen mit Hansa Rostock 1991 für die Bundesliga qualifiziert hatte, zur Namensänderung zu bewegen. Also war es auch kein Problem mehr für den Hessischen Fußballverband, den FSC Dynamo Windrad mit vollem Namen als Mitglied aufzunehmen.

Fairplay ultra


Wenn es einen Fairplay-Preis des 20. Jahrhunderts gäbe, müsste er an den „großen HSV“ gehen. 1922 klafft in der Ehrentafel der Deutschen Fußballmeister eine Lücke, denn der Hamburger SV verzichtete freiwillig auf den Titel. Nachdem man sich in zwei Finalspielen jeweils unentschieden vom 1.FC Nürnberg getrennt hatte (2:2 n.V. und 1:1 n.V.), erklärte der DFB die Rothosen zum Sieger. Es wäre die erste Meisterschaft der HSV-Geschichte gewesen. Schon ein Jahr später wurde die Feier nachgeholt: mit einem 3:0 über Union Oberschöneweide, den Vorläuferclub des 1. FC Union Berlin.

Es werde Licht!


Das allererste Fußballspiel unter Flutlicht fand am 14. Oktober 1878 in Sheffield statt – ein Jahr vor der Patentierung der elektrischen Glühbirne durch Thomas Alva Edison. Zum Einsatz kamen seinerzeit vier Kohlenbogenlampen.


Der Fluch der Pokalsieger


Der 1999 zum letzten Mal ausgespielte Europapokal der Pokalsieger war während seiner gesamten Geschichte mit einem kuriosen „Fluch“ belegt: Nicht ein einziger Gewinner konnte seinen Titel verteidigen. Am nächsten kam diesem Ziel noch der belgische Spitzenclub RSC Anderlecht mit drei Finalteilnahmen in Folge. Allerdings verloren die Lila-Weißen das mittlere Endspiel: 1977 in Amsterdam mit 0:2 gegen den HSV. 1976 hatten sie das Finale „zu Hause“ in Heysel in berauschendem Stil mit 4:2 gegen West Ham United für sich entschieden. 1978 ließen sie Austria Wien beim 4:0 im Pariser Prinzenpark nicht den Hauch einer Chance.

Gleich zur Premiere des Wettbewerbs startete der AC Florenz das Gesetz der schwarzen Serie. 1961 glückten in Hin- und Rückspiel zwei Siege gegen die Glasgow Rangers (2:0 und 2:1), 1962 unterlag man Atletico Madrid nach einem 1:1 n.V. im Wiederholungsspiel mit 0:3. Atletico wiederum wurde von Tottenham Hotspur 1963 mit 1:5 zerlegt.

Auch Ajax Amsterdam, der AC Milan, der AC Parma, der FC Arsenal und Paris Saint-Germain gingen im zweiten Jahr mit Silbermedaillen nach Hause. Milan holte den Pott 1973 gegen Leeds United (1:0) und verlor 1974 vor der Minuskulisse von nur 6.400 Zuschauern in Rotterdam 0:2 gegen den 1. FC Magdeburg, dessen Fans in der DDR eingesperrt blieben – ebenso wie die Anhänger von Carl Zeiss Jena (1981 beim 1:2 gegen Dynamo Tiflis vor 9.000 in Düsseldorf) und die von Lok Leipzig (1987 beim 0:1 gegen Ajax Amsterdam im halb gefüllten Athener Olympiastadion).
Ajax traf wie gehabt im Jahr danach der Fluch: 1988 verlor man 0:1 gegen den belgischen Underdog KV Mechelen in Strasbourg. Parma gewann 1993 gegen den FC Antwerpen 3:1 und unterlag Arsenal 1994 mit 0:1. Arsenal wiederum ging mit dem spektakulärsten Gegentor der Europacup-Finalgeschichte gegen Real Zaragoza 1995 in der 120. Minute 1:2 unter (Nayims 50-Meter-Bolzer gegen Englands Nationalkeeper David Seaman). PSG siegte 1996 1:0 gegen Rapid Wien und verlor 1997 0:1 gegen den FC Barcelona.

Ein Verein kam indes gar nicht erst dazu, seinen Titel zu verteidigen: 1972 beim 3:2 der Glasgow Rangers in Barcelonas Nou Camp gegen Dynamo Moskau stürmten Hunderte von Rangers-Fans in der 89. Minute den Platz und lernten die Knüppel der Militärpolizei von Diktator Franco kennen. Rangers-Kapitän John Creig bekam den Pokal in den Katakomben des Stadions überreicht. Die Uefa reagierte hart und sperrte die Blauen für die Folgesaison 1972/73.

Berlin war keine Reise wert


Der 1. FC Köln wurde 1986 von der UEFA bitter bestraft: Er durfte das einzige Europacupfinale seiner Geschichte nicht im eigenen Stadion austragen. Ein herzliches Dankeschön dafür geht an eine Kohorte Kölner Hooligans für Gewalt und Randale beim Halbfinale im belgischen Waregem. Ein Jahr nach der Katastrophe beim Landesmeisterfinale zwischen Liverpool und Juventus Turin in Brüssel mit 39 Toten und Hunderten von Verletzten griff der Verband hart durch und belegte die Kölner für ihr Rückspiel im UEFA-Cup-Finale mit einer Platzsperre. Der Effzeh musste sein „Heimspiel“ gegen Real Madrid in mindestens 400 Kilometern Entfernung austragen.

Das Berliner Olympiastadion war allerdings eine denkbar schlechte Wahl. Die Berliner Fußballfans ließen den FC links liegen. Vier Fünftel der Ränge blieben leer. Lediglich 16.000 Zuschauer erlebten das 2:0 mit. Vor dieser Geisterkulisse fehlte den Kölnern der emotionale Tritt in den Hintern, um das 1:5 aus dem Hinspiel im Bernabeu noch ausgleichen zu können.

50 Meter hoch, 20 Meter weit


Ein bisschen mehr Glück hatte der leidenschaftlich aufspielende spanische Vertreter im Europapokal der Pokalsieger 1995, Real Zaragoza: In der 120. Minute des Finales gegen Arsenal London im Pariser Prinzenpark zimmerte der marokkanische Spieler Nayim beim Stand von 1:1 einen schier unglaublichen Ball – 50 Meter weit, 20 Meter hoch – im Stil eines Verzweiflungsschlags Richtung Englands Nationalkeeper. Die Kugel rauschte in perfektem Bogen aufs Tor zu, David Seaman unterschätzte die Flugbahn, stolperte nach hinten und landete zusammen mit dem Spielgerät im Netz. Ein hochverdientes Happy End.

Heimatlose Traditionsvereine


Der fünffache belgische Meister FC Lüttich, Lokalrivale von Standard Lüttich, erlebte in den frühen neunziger Jahren einen beispiellosen Niedergang. Seit 1945 war der Club ununterbrochen in der ersten belgischen Liga vertreten. Nach der Insolvenz und dem Abriss des vereinseigenen Stadions Velodrome de Rocourt, auf dessen Gelände ein Kino entstand, wurden die treuesten Fans 1994 für die Heimspiele gegen Anderlecht, Standard oder den FC Brügge noch mit Bussen ins benachbarte Ans gebracht. Aber ohne Heimat war der sportliche Niedergang unvermeidlich. Der Pokalsieger von 1990 und Ex-Verein von Jean-Marc Bosman pendelt seit 1995 zwischen der zweiten und der vierten Liga. Ein eigenes Stadion hat er nach wie vor nicht.

Obdachlos im Zoo


Auch die Anhänger des englischen Traditionsclubs Brighton & Hove Albion waren lange Zeit obdachlos. Nachdem der Goldstone Ground, seit 1902 Heimat des Vereins mit über 2.100 Matches, 1996 vom Vorstand ohne Rücksprache mit den Fans verkauft worden war (die Erlöse der Grundstücks-Spekulation sollen nicht dem Club, sondern in erster Linie dessen Anteilseignern zugute gekommen sein), mussten die Fans jahrelang zu „Heimspielen“ ins 100 Kilometer entfernte Gillingham fahren, bevor man in Brighton auf dem Gelände eines ehemaligen Zoos unterkam. Unter anderem einer groß angelegten Spendenkampagne der Fans ist es zu verdanken, dass Albion seit 2011 wieder über eine Heim-Arena verfügt, das Falmer Stadium.

Deutschlands traurigster Meister


Noch härter traf es die Fans des Freiburger FC, des Deutschen Meisters von 1907, der 1969 nur knapp den Aufstieg in die Bundesliga verpasste. Parallel zum Aufstieg des Lokalrivalen SC Freiburg begann der Niedergang des FFC. Zu Beginn der achtziger Jahre spielte man noch Derbys in der Zweiten Liga Süd. Mehrere Abstiege bis in die Verbandsliga Südbaden und finanzielle Engpässe zwangen den FFC 1999 dazu, sein 1922 eröffnetes Möslestadion an den Sportclub zu verkaufen, der auf dem Traditionsgrund seine Nachwuchsakademie hochzog. Erst seit 2008 hat der FFC mit dem Freiburger Stadion im Dietenbach wieder eine eigene Spielstätte – allerdings selten mehr als 300 Zuschauer …

Falsches Timing I


„Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Deutschland dafür bestraft wird, wenn man die Wahrheit sagt.“ Sprach Torwartlegende Harald „Toni“ Schumacher 1987 anlässlich der Veröffentlichung seiner Memoiren. Das Büchlein namens „Anpfiff“ hätte Toni, Rückgrat der letzten FC-Meistermannschaft von 1978,  wohl besser erst nach Ende seiner Karriere herausgebracht. Der DFB und die lieben Kollegen aus der Bundesliga waren wenig erfreut über allerlei schlüpfrige Enthüllungen über Ausflüge ins Rotlichtmilieu und Saufgelage bei Trainingslagern der Nationalmannschaft sowie die Andeutung gängiger Dopingpraktiken in der Liga durch Aufputschmittel und Wachstumshormone. Schumacher flog als Nummer eins aus der Nationalelf und erhielt nach 15 Jahren Vereinszugehörigkeit und 422 Bundesligaspielen die fristlose Kündigung beim 1. FC Köln. Erst ein Jahr zuvor war der Kölner Kapitän zu Deutschlands „Fußballer des Jahres“ gewählt worden.

Falsches Timing II


Auch Schumachers Karriere als Trainer nahm ein ebenso jähes wie einzigartiges Ende: 1999 beim SC Fortuna Köln. Er ist der einzige Übungsleiter in der Geschichte des deutschen Profifußballs, der in der Halbzeitpause eines Spiels entlassen wurde. Nachdem er seinen Cheftrainer aus dem Südstadion hinauskomplimentiert hatte („Du hast hier nix mehr zu sagen …“), setzte sich Fortunas Präsident und Mäzen Jean Löring zur zweiten Hälfte des Matchs der Fortuna gegen den SV Waldhof Mannheim höchstpersönlich auf die Bank.

Soccer I


Den Begriff „Soccer“ verdanken wir über Umwege der Gründung der britischen Football Association am 8. Oktober 1863 in London. Seinerzeit vollzog sich die Trennung der reinen Rugby-Teams von den sogenannten „Association Football“-Teams, die das Leder lieber mit dem Fuß als mit den Händen spielten. Im Laufe der Zeit blieb nur noch der „Football“ als Bezeichnung übrig. Als die US-Amerikaner nach einem Ersatzbegriff für „Football“ waren, kam in Anlehnung an den „Association Football“ der künstliche Begriff „Soccer“ auf.

Soccer II


In den USA kannte man allerdings einen anderen „Football“, der sich ebenfalls aus dem Rugby entwickelt hatte – ein ledernes Ei, das geworfen, gefangen und getragen wird. Falls das Match, das eher einer verzwickten Schachpartie schwer gepanzerter Rammklötze gleicht, gerade mal nicht unterbrochen ist. Mit dem Fuß getreten wird das Spielgerät nur dann, wenn ein Field Goal erzielt werden soll. Dafür haben die Teams in der Regel einen speziell trainierten „Kicker“ auf der Ersatzbank hocken, der ausschließlich für den Tritt zwischen die Stangen aufs Feld kommt. 

Der ehemalige Bundesliga-Topstürmer Manni Burgsmüller spezialisierte sich nach seiner Fußball-Karriere beim NFL-Franchise-Unternehmen Düsseldorf Rhein Fire auf diese Tätigkeit.

Soccer III


Die Frage, ob es noch einen anderen „Football“ geben dürfe, auch wenn er im Rest der Welt die Nummer eins und tatsächlich ein Spiel mit dem Fuß ist, stellte sich in den USA nie. 1971 beschloss der 1913 gegründete amerikanische Fußballverband daher die Umbenennung von US Football Association in US Soccer Association.

Abseits ist zu kompliziert


Um dem Publikum die 1967 gegründete erste US-Profiliga schmackhaft zu machen, wurden elementare Regeln geändert, die laut FIFA-Statut jedem Verband erlaubt sind. In den USA musste es einen Sieger und einen Verlierer geben. Ein Unentschieden oder gar ein 0:0 galt dort seinerzeit als undenkbar. Also wurde nach dem Ende eines jeden unentschiedenen Spiels ein ganz besonderes „Strafstoßschießen“ eingeführt: Das sogenannte Shoot-out ähnelte dem Penaltyschießen im Eishockey. Der Stürmer lief an der Mittellinie los, der Torwart durfte ihm bis zur Strafraumgrenze entgegenkommen, um den Winkel zu verkürzen. Der Sieger eines solchen Spiels erhielt zwei Punkte, der Verlierer einen. Außerdem gab es Extrapunkte für deutliche Siege oder viele Tore. Bei einer 4:5-Niederlage ging also selbst der Verlierer nicht gänzlich leer aus. Auch das Abseits wurde anders gehandhabt: Ähnlich wie beim Eishockey wurde pro Spielhälfte eine feste Abseitslinie auf halber Strecke zwischen Mittellinie und Tor festgelegt. Die gedachte Linie des üblichen Abseits, die sich stets auf Höhe des vorletzten Verteidigers bewegt, wollte man den Zuschauern nicht zumuten.

Kreative Hinterteile


In Austria hat man früh die Marketing-Zeichen der Zeit erkannt. Anders als der DFB stand der ÖFB schon in den achtziger Jahren der Idee aufgeschlossen gegenüber, Werbung auf den Hinterteilen der Profis zu genehmigen, was in Deutschland als „österreichische Verhältnisse“ ins Fußballwörterbuch einging. Gegen die Verfügung des DFB klagte der ehemalige Zweitligist Arminia Hannover, der seit 2003 mit einem Wäsche-Label auf der Sitzfläche seiner Spieler warb. Im April 2008 gewann die Arminia das Verfahren in vierter Instanz vor dem Landgericht Hannover. Der Norddeutsche Fußballverband und der DFB legten dem Club daraufhin keine Steine mehr in den Weg. Zu einem „Dammbruch“ kam es in der Folgezeit allerdings nicht; es bleibt also weiter genug Spielraum für kreative Köpfe, sich flotte Sprüche für den verlängerten Rücken einfallen zu lassen.

Meisterjäger Braunschweig


Trikotwerbung generell war beim DFB lange Zeit nicht gerne gesehen. Der erste Club, der sich einen Trikotsponsor auf die Spielerbrust holte, war 1967 Wormatia Worms. Die Wormser spielten seinerzeit in einer der fünf professionellen Regionalligen, der Regionalliga Südwest. Der DFB untersagte der Wormatia das Tragen des Logos der Baumaschinenfirma Caterpillar. Erst sechs Jahre später brach Eintracht Braunschweig das Werbeverbot endgültig – allerdings ging dies auch nur deshalb durch, weil Eintracht-Präsident und -Mäzen Günter Mast damit drohte, den ganzen Club notfalls in „Jägermeister Braunschweig“ umzubenennen.

Pokalsensationen


Seit 1985 wird das Finale des DFB-Pokals im Berliner Olympiastadion ausgetragen. Bei der Premiere ging der FC Bayern mit 1:2 gegen Uerdingen 05 unter – das knappe Resultat schmeichelte den Münchnern ungemein. Die haushoch überlegenen Krefelder versiebten Chancen in Serie und hätten auch wesentlich deutlicher siegen können. Ein 1:7 war locker möglich.
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Die Endspiele in der eigenen Stadt sind seit 1985 ein Trauma für die Profis von Hertha BSC, denn das Team der Dampfbootfahrer konnte sich letztmalig 1979 in Hannover für das Finale qualifizieren, als man in der 120. Minute nach einem Torwartfehler von Norbert Nigbur mit 0:1 gegen Fortuna Düsseldorf verlor.
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Immerhin zwei Berliner Teams schafften den Einzug ins heimische Finale: Die Amateurmannschaft der Hertha verlor 1993 unglücklich mit 0:1 gegen Bayer Leverkusen. Und 2001 unterlag Regionalligist 1. FC Union Berlin, der im selben Jahr in die Zweite Liga aufstieg, gegen Schalke mit 0:2. Ein Berliner Sieg in Berlin steht also immer noch aus; ohnehin hat kein Berliner Verein jemals den „Pott“ des DFB gewonnen. Immerhin sechs FDGB-Pokalsiege zu DDR-Zeiten gingen aufs Konto Berliner Mannschaften; die größte Überraschung darunter war 1968 das 2:1 von Union gegen Carl Zeiss Jena.
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Zweimal in der Geschichte des DFB-Pokals wurden zwei Mannschaften eines Vereins gegeneinander gelost: Im Januar 1977 gewannen die Profis des FC Bayern im Achtelfinale gegen die eigene Amateurmannschaft im Münchner Olympiastadion mit 5:3, und im Herbst 2000 verloren die Amateure des VfB Stuttgart, die in der Runde zuvor die Frankfurter Eintracht mit 6:1 zerlegt hatten, mit 0:3 gegen die Profikollegen.
Nach dem Match VfB gegen VfB änderte der DFB die Auslosungsregeln, um derlei Treffen in Zukunft zu verhindern, da das Stuttgarter Trainerteam um Ralf Rangnick den Wettbewerb mit legalen Mitteln manipuliert hatte: Man zog für diesen Tag schlicht die besten Spieler aus dem Amateurkader für den Dienst im Profiteam ab, um die „Erste“ garantiert eine Runde weiterkommen zu lassen. Seit Einführung der Dritten Liga 2008 ist die Teilnahme von zweiten Mannschaften der Profivereine gänzlich abgeschafft.
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Das einzige Finale zweier Teams aus einer Stadt gewann 1983 der 1. FC Köln mit 1:0 gegen Zweitligist SC Fortuna Köln im Müngersdorfer Stadion durch ein spätes Tor von Pierre Littbarski. Die ebenso glücklichen wie unverdienten Sieger wurden bei der Pokalübergabe von der Mehrheit der 60.000 Zuschauer ausgepfiffen.

Unschlagbar I


Nach der Fußball-WM 1990 hatte Teamchef Franz Beckenbauer im Überschwang des Erfolges und mit dem Wissen, dass nach der Wiedervereinigung etliche Spitzenspieler der aufgelösten DDR-Nationalmannschaft zum DFB-Team stoßen würden, launig festgestellt, dank dieser Perspektiven sei die deutsche Mannschaft „auf Jahre hinaus unschlagbar“. Bereits am 10. Oktober 1990 gab es ein 1:3 gegen Schweden, und spätestens nach der 0:2-Finalniederlage gegen die in Badeschlappen und mit Bierbäuchen angetretenen Dänen bei der EM 1992 wurde Deutschlands Fußball-Lichtgestalt nicht mehr ganz so gerne auf seine Prophezeiung angesprochen.

Unschlagbar II


Über 50 Jahre zuvor hatten der deutsche und der österreichische Fußball eine ganz andere, nämlich unfreiwillige Vereinigung zu vollziehen. Auf Befehl Hitlers sollte nach der Annektierung Österreichs durch das Deutsche Reich 1938 eine unschlagbare großgermanische Mannschaft beim WM-Turnier in Frankreich antreten. Die erwünschte Verstärkung der eher mittelprächtigen DFB-Elf durch Spieler des berühmten österreichischen „Wunderteams“ wurde zum Bumerang, zumal sich der Superstar der 30er Jahre und einer der größten Fußballer aller Zeiten, Austria Wiens Spielmacher Matthias Sindelar, strikt weigerte, für das von Reichstrainer Sepp Herberger zusammengestellte Team Nazideutschlands aufzulaufen. Gleich das erste Match des Turniers, das im K.o.-Modus ausgetragen wurde, ging mit 1:1 n.V. und 2:4 im Wiederholungsspiel gegen die Schweiz daneben.


Baden schlägt Schwaben


Das längste Elfmeterschießen in der Geschichte des DFB-Pokals ereignete sich 1995 in Nordbaden. Der zweifache Deutsche Amateurmeister SV Sandhausen besiegte den seinerzeit vierfachen Deutschen Meister VfB Stuttgart mit 13:12. Nach 120 Minuten war das Match mit 2:2 zu Ende gegangen.

Der teuerste Elfer


Den teuersten Elfmeter der Bundesligageschichte verschoss der zuvor unfehlbare Bremer Abwehrchef Michael Kutzop am 33. Spieltag der Saison 1985/86 in der 88. Spielminute beim Stand von 0:0 gegen den FC Bayern. Wäre der Ball ins Tor statt an den linken Außenpfosten gegangen, hätte Werder die Meisterschale sicher gehabt. Alle anderen von Kutzops 40 Bundesliga-Elfmetern landeten im Netz. Am letzten Spieltag gewann der FC Bayern mit 6:0 gegen Borussia Mönchengladbach und holte sich den Titel bei gleicher Punktzahl per Tordifferenz, weil die Bremer gleichzeitig beim VfB Stuttgart mit 1:2 unterlagen.

Gut gemauert


Die Fans von Oranje erlebten am 29. Juni 2000 etwas, das im Land des „total voetbal“ und seines Reservoirs an Weltklassestürmern undenkbar schien: keine Tore der eigenen Mannschaft trotz hoch überlegenen Spiels. Im Halbfinale der Heim-EM gegen die Maurermeister aus Italien schafften die Holländer sogar das Kunststück, schon während der regulären Spielzeit zwei Elfmeter zu verschießen. Zudem spielten sie ab der 34. Minute nach dem Platzverweis von Italiens Zambrotta 86 Minuten in Überzahl. Im Elfmeterschießen ging ebenfalls fast nichts: Von vier Schützen traf mit Patrick Kluivert lediglich einer, und Italien, das ebenfalls einen Elfer vergeben hatte, zog mit 3:1 ins Endspiel gegen Frankreich ein.

Exoten mit Bonus


Die sogenannten „Home Nations“ England, Wales, Nordirland und Schottland sind die einzigen Landesverbände der FIFA, die weder einen Staat noch eine Nation repräsentieren. Als Gründungsverbände des neuzeitlichen Fußballs sitzen ihre Vertreter dauerhaft in der FIFA-Regelkommission. Weitere geduldete Ausnahmen sind etwa Exoten wie die zu Dänemark gehörigen Faröer-Inseln oder das vom britischen Empire besetzte Gibraltar. Die FIFA verweigert hingegen Völkern ohne staatliche Souveränität wie den Basken, den Katalanen, den Palästinensern, den Tibetern oder den Kurden grundsätzlich die Mitgliedschaft oder die Teilnahme an offiziellen Turnieren. Deren Länderspiele, die durchaus stattfinden, gelten als private Veranstaltungen.

Trainertausch


Der Trainer passt nicht mehr ins Konzept? Dann wird er gefeuert. Meist wegen sogenannter „Erfolglosigkeit“. Kurios wurde es jedoch im Herbst 1977, als der FC Bayern und die Frankfurter Eintracht gleichzeitig ihre Übungsleiter loswerden wollten und die Trainer schlicht und einfach tauschten: Fußball-Professor Dettmar Cramer ging an den Riederwald, der Ungar Gyula Lorant an die Säbener Straße. Genützt hat es wie so oft wenig. Die Frankfurter wurden am Ende der Saison Siebter, die Bayern Zwölfter.

Zucht und Ordnung


Mit 68 Toren in 62 Länderspielen war Gerd Müller 39 Jahre lang alleiniger Rekordhalter in der ewigen Torschützenliste des DFB. Seine Bestmarke wäre allerdings auch für Miroslav Klose unerreichbar geworden, hätte man den „Bomber der Nation“ am Abend des WM-Triumphs von München 1974 nicht brüskiert: Siegtorschütze Müller kam, wie die übrigen Kollegen, samt Gattin zum Festbankett der WM-Organisation. Vor der Tür des Saals angekommen, stießen die Spieler allerdings auf erheblichen Widerstand seitens der DFB-Funktionäre und des Sicherheitsdiensts. „Bei uns herrscht noch Zucht und Ordnung. Hier sind nur die Damen der Offiziellen erwünscht“, zitierte Franz Beckenbauer einen DFB-Funktionsträger in seiner Autobiografie „Einer wie ich“. Müller blieb dem Bankett fern, zog die Konsequenzen und trat im allerbesten Fußball-Alter von nur 28 Jahren für immer aus der DFB-Elf zurück.

Beamtenlogik


Wenn eine Hose mit dem Hemd vernäht wird, ist sie keine Hose mehr: Die Fußball-Beamten des Weltverbands FIFA gerieten 2004 in den Katakomben des Zürcher FIFA-Bunkers in helle Aufregung. Sie hatten gerade erfahren, dass die Spieler von Kamerun beim Afrika-Cup mit einem neuartig gestalteten Einteiler beim Afrika-Cup angetreten waren. Daraufhin drohten die Funktionäre den Afrikanern mit dem Ausschluss von sämtlichen Wettbewerben weger der Verletzung angeblich elementarer Fußballbekleidungsgesetze.
Als Sofortmaßnahme wurden die Kameruner zu 200.000 Dollar Strafe und sechs Minuspunkten für die Qualifikation zur WM 2006 verurteilt, was quasi die Disqualifikation bedeutete und ihre Fans schier verzweifeln ließ.
Der Sportartikelhersteller Puma sah sich durch das offenbar willkürliche Verbot seiner innovativen Sportbekleidung schwer geschädigt, beklagte die angebliche Einflussnahme des Konkurrenten Adidas und verklagte die FIFA auf zwei Millionen Euro Schadensersatz.
Zu einem Urteil kam es nicht. Puma einigte sich 2005 mit dem Weltverband auf einen außergerichtlichen Vergleich. Der Punktabzug für die „Unbezähmbaren Löwen“ wurde zurückgenommen. Kamerun verpasste die Qualifikation zur WM 2006 dennoch – einen Punkt hinter Gruppensieger Elfenbeinküste.

 

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